Michael Friedl ist nach seinen Stationen in Johannesburg, Abu Dhabi und Washington D.C. der neue Trade Commissioner der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) in New York City. Von 2007 bis 2012 war er zudem österreichischer Wirtschaftsdelegierter im Iran. Seit ein paar Wochen führt ihn, als Ansprechpartner für österreichische Unternehmen, sein täglicher Arbeitsweg in ein typisches Hochhaus im geschäftigen Midtown im Herzen von Manhatten.
 |
©WKO |
Von Teheran nach New York City, ein ungewöhnlicher Weg oder ein logischer Schritt?
Michael Friedl: Vor meiner fünfjährigen Tätigkeit im Iran habe ich das "AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA" Büro in Washington D.C. geleitet. Schon dort hatte ich ein bisschen mit dem Iran zu tun, einerseits leben sehr viele Perser in den USA, andererseits war eine meiner Aufgaben die Beratung österreichischer Firmen zum Thema US-Sanktionen. Da war natürlich der Iran ein Hauptthema. Während meiner Zeit in Abu Dhabi habe ich außerdem fünf Wochen beruflich in Teheran verbracht und erkannt, dass der Iran absolut nicht der „Vorhof zur Hölle“ ist, wie manche Leute glauben, sondern ein faszinierendes Land mit einer bewegten und interessanten Geschichte. Es leben dort viele faszinierende Menschen, die eher nach Europa und generell dem Westen hin orientiert sind. Es besteht ein unglaubliches wirtschaftliches und politisches Potential. Als die Stelle in Teheran ausgeschrieben wurde, habe ich in jungen Jahren nicht lange gezögert und mich beworben.
Jetzt warten neue Aufgaben in den USA auf Sie, wie kam es dazu Trade Commissioner in New York zu werden?
Friedl: Nach dem Iran war ich zwei Jahre in der Zentrale der WKO in Wien. Hier vor allem für Personalkoordination und Personalentwicklung zuständig. Da lernt man nach 13 Jahren Auslandsaufenthalt wieder die Seele und das Getriebe der Organisation gut kennen. Allerdings habe ich den Job als Wirtschaftsdelegierter gewählt, um mein Berufsleben vor allem im Ausland verbringen zu können. Ich möchte vor Ort österreichische Firmen bei der Marktbearbeitung unterstützen. In der Aussenwirtschaft gibt es ein sogenanntes Roulement System, in welchem jedes Jahr frei werdende Positionen ausgeschrieben werden. Die WKO hat um die 80 Außenwirtschafts Centren inkl. diverser Zweigbüros, deren Leitung regelmäßig ausgeschrieben wird. Man bewirbt sich dann nach bestimmten Formalkriterien. So versucht dann jeder, seine spezifische Eignung für einen bestimmten Posten so gut wie möglich darzulegen. Was mir geholfen hat, den sehr begehrten Posten in New York zu bekommen, war meine schon vorhandene Berufserfahrung in den Staaten. Die Tatsache, dass ich dort auch ein Masterstudium in internationaler Politikwissenschaft abgeschlossen habe und über ein weitreichendes Netzwerk verfüge, war sicherlich auch hilfreich. Die intensive Betreuung von österreichischen Firmen in Teheran und der heikle Umgang mit Medien im Iran helfen einem zusätzlich den herausfordernden Job in den USA zu bewältigen. Österreichische Firmen benötigen hier viel mehr Betreuung als allgemein angenommen wird und zudem steht man doch auch ein bisschen in der „Medienauslage“, da viele Opinion Leader in die USA kommen und viele Ideen gerade hier in New York geboren werden.
Welche Aufgaben kommen nun auf Sie zu?
Ein Trade Commissioner, wie der Wirtschaftsdelegierte oft bezeichnet wird, unterstützt mit seinem Team österreichische Firmen bei ihren internationalen Tätigkeiten. Wir sind als "Advantage Austria" mit über 110 Büros weltweit die primäre österreichische Internationalisierungsagentur, die unseren Firmen bei den oft schwierigen ersten Schritten ins Ausland hilft. Dies reicht von der Weitergabe von Informationen über Auslandsmärkte bis zum organisieren von diversen Events oder auch direktem Coaching der Firmen. Wir sind quasi die Augen und Ohren vor Ort, welche die doch mehrheitlich kleineren und mittleren österreichischen Firmen über Marktchancen informieren und sie bei ihren Außenhandelstätigkeiten supporten. Manchmal suchen wir dafür den richtigen Partner, der von uns vorgeprüft wird, oder wir organisieren Messen und Workshops und machen Werbung für die Innovationskraft österreichischer Unternehmen. Überdies intervenieren wir auch bei Nicht-Zahlung von Seiten der Kunden oder oftmals auch beim Zoll. Das Faszinierende an unserer Aufgabe ist es ja, dass wir für ganz unterschiedliche Firmen mit ganz verschiedenen Bedürfnissen und Problemen in immer wieder neuen Märkten arbeiten. Langeweile kommt nie auf. Für diesen Job ist neben der fachlichen Qualifikation auch die Bereitschaft zur Mobilität, Improvisationstalent und direktes Anpacken gefragt. Außerdem muss man einen sehr flexiblen und bereitwilligen Partner haben, sonst wird es mit der Familie nicht unbedingt leichter.
Sie sind jetzt seit wenigen Wochen Trade Commissioner, in welche Richtung wollen sie Ihr Büro entwickeln?
Wir befindet uns sicherlich an einem der spannendsten Plätze der Welt. In dieser Stadt gibt es jetzt nicht viel Industrie, die findet man eher in Ohio, Texas, North Carolina oder Pennsylvania. Aber New York ist die Stadt mit den kreativsten Köpfen, den neuesten Trends und Entwicklungen und manchmal auch den schrägsten und verrücktesten Ideen. Gerade hier kann man neben reiner Export-Unterstützung auch zum Know-How Transfer beitragen. Wir können von hier aus neue wirtschaftspolitische aber auch unternehmerische Ideen und Entwicklungen an die österreichischen Firmen weitertragen. Das heißt eben nicht, dass wir hier nur österreichische Firmen herbringen wollen, damit sie ihre Waren verkaufen, sondern auch, dass sie von hier Input bekommen, wie sie ihre Waren vielleicht besser in Österreich selbst oder in anderen Ländern auf den Markt bringen. Erst vor einigen Wochen hatten wir 15 Vorstände und Marketingchefs nach New York , Philadelphia und Boston eingeladen, die von den Top Universitäten aber auch direkt durch Store-Visits die Zukunft des Einzelhandels kennen lernten. Da ging es um Online versus Offline Handel, um Customer Centricity und den „long-term value of a client“, um Big Data und neue Shop-Konzepte. Modelle, die einfach in der größten und innovativsten Volkswirtschaft der Welt keine Rand-Themen sind. Wir wollen in Zukunft auch diese Zusammenarbeit mit den akademischen Top-Locations wie dem MIT in Boston und Wharton in Philadelphia aber auch darüber hinaus, sukzessive ausbauen. Wir werden einen ähnlichen Know-How Transfer auch in den Bereichen „Future of Healthcare“ und „Future of Personnel Development“ sowie bei der Digitalisierung und in der Robotik anbieten und forcieren. Außerdem arbeiten wir derzeit intensiv an einem Programm, das jungen österreichischen Startups auch am Finanzplatz New York helfen soll. Die Stadt ist zwar noch nicht dort, wo beispielsweise das Silicon Valley steht, aber es wird irrsinnig viel unternommen um Startups aus den Bereichen Web und Tech passende Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen. Es gibt also mehr als genug zu tun hier.
Gutes Stichwort, wo steht die Stadt New York im direkten Vergleich mit anderen Regionen?
Wie ich schon erwähnt habe, ist New York kein echter „industrial hub“. Hier sind viele Dienstleistungsbetriebe im Finanz-, Versicherungs- und Rechtssektor angesiedelt, außerdem besteht eine sehr lebendige und wachsende Kreativwirtschafts- sowie Pharma- und Medizinindustrie. Die Marktbearbeitung ist hier eine ganz andere als in übrigen Ostküstenstaaten, wo es auch Industrieansiedlungsprogramme gibt und wir österreichischen Firmen auch mehr bei Unternehmensgründung und Logistikfragen helfen können. Allerdings hat sich NYC in den letzten Monaten sichtbar stark weiterentwickelt, im September gab es die geringste Arbeitslosenrate seit Jahrzehnten und es wird viel gebaut sowie massiv in die Infrastruktur investiert. Gerade in diesen Bereichen können sich österreichische Firmen ein Stück vom Kuchen abschneiden und mitverdienen. Wir sind bei Gebäudebeleuchtung, Inneneinrichtung und Planung ganz vorne mit dabei. Das macht mich sehr stolz!
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Unterschiede zwischen einer Stadt wie New York City und Wien?
Ich bin jetzt seit zwei Monaten hier, aber ich sehe nicht extrem gravierende Unterschiede zwischen den Mentalitäten. Vielleicht auch, weil es den typischen New Yorker in der Form ja gar nicht gibt. Die Stadt wimmelt von Menschen mit hispanischem Hintergrund, viele weiße New Yorker haben irische oder italienische Namen. Meine Nachbarschaft ist das alte German und Hungarytown. Studenten aus Iowa und Georgia studieren an der NYU, daneben gibt es eine starke Zuwanderung aus Indien und China, Menschen, die hier vor allem im IT Sektor und im Finanzsektor arbeiten. Dazwischen gibt es natürlich die alteingesessenen New Yorker, entweder in den eleganten Townhouses der Upper East Side um das Guggenheim Museum herum oder in den Backsteinbauten Harlems. New York lebt von dieser kulturellen Mischung, das ist es was diese Stadt so besonders macht. Natürlich, die Menschen gehen gerade in Down- und Midtown schneller als in Wien - solange es sich nicht um fotografierende Touristen handelt. Der Umgangston in den Geschäften und Restaurants ist ein freundlicherer, dafür ist auch der Geräuschpegel in den Restaurants ein viel höherer. Manchmal versteht man die Unterhaltung am Nebentisch besser als die mit dem eigenen Gegenüber. Lauter, schneller und höher ist hier besser. Viel Wert wird außerdem auf Branding gelegt, etwas was in Wien noch nicht ganz so verbreitet ist. Jeder weiß, sich bestens zu verkaufen und kann aus dem Stehgreif eine perfekte Ansprache ohne viele Ähs und Öhs halten. Das Verkaufen liegt vielen hier einfach im Blut. Aber auch die Hilfsbereitschaft und die Unterstützung der Nachbarn, was einem vielleicht in einer so großen, hektischen und engen Stadt seltsam vorkommen mag.
 |
©mittelmedia |